[26.02.2017] DIE ZEIT, Nr. 8, 16.02.2017
Ami goes home
Siebzig Jahre lang haben außenpolitische Strategen ganz auf die USA gebaut. Nun wendet sich die Supermacht gegen Europa. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wird es zum Streit kommen. Was bleibt von der transatlantischen Freundschaft?
Von Martin Klingst und Jörg Lau
“… Wer sich dieser Tage in Ministerien, Universitäten und Denkfabriken auf beiden Seiten des Atlantiks bei eingeschworenen Atlantikern umhört, der trifft auf tief verstörte Menschen, die nicht mehr wissen, wo oben und unten ist, was weiterhin gilt und wem sie noch glauben können. …
Um zu ermessen, was da kaputtzugehen droht – und wie radikal Trumps Wende ist –, muss man sich den Beginn vor Augen führen. Das Urdokument transatlantischer Politik ist die Atlantik-Charta, die der amerikanische Präsident Roosevelt und der britische Premier Churchill am 14. August 1941 unterzeichneten – im Geheimen, auf einem Schiff vor Neufundland. In acht knappen Punkten definierten die beiden greisen Politiker die Grundlage für eine neue internationale Ordnung. Das war ein erstaunlicher Akt gegen den mörderischen Geist der Zeit, just als die deutsche Vernichtungsmaschine in Osteuropa erst richtig auf Touren kam.
Unter den Forderungen der Charta waren das “Selbstbestimmungsrecht der Völker”, die Absage an “Bereicherung” und gewaltsame Grenzveränderung sowie Bekenntnisse zu wirtschaftlicher Kooperation, freiem Welthandel und dem Zugang zu Rohstoffen “für alle Völker”, schließlich das Verbot militärischer Gewalt in der internationalen Politik “aus praktischen wie aus sittlichen Gründen”. Die “Atlantik-Charta” wurde zum Keim der späteren UN. Auch die Sowjetunion schloss sich der Charta an. Aber das normative Gerüst war erkennbar angloamerikanisch. ….”