DIE ZEIT: Wahlkampf – Bitte mehr Wummms!

[29.09.2017] DIE ZEIT, Nr. 37, 07.09.2017
Wahlkampf – Bitte mehr Wummms!
Deutschland stöhnt, der Wahlkampf ist langweilig. Das hat seinen Grund: Keiner wartet mit einem großen Zukunftsentwurf auf. Warum nur?
Von Uwe Jean Heuser

Link  http://www.zeit.de/2017/37/wahlkampf-bundestagswahl-zukunft

“… Das Zentrum der neuen Reformer steht in London. Kaum einer kennt es.
Die Sozialdemokraten brachten gegen viel Widerstand den Mindestlohn durch, ermöglichten mit Blick auf Arbeiter und einfache Angestellte die Rente mit 63 und rangen der Union eine Frauenquote für die Konzernspitzen ab. Bloß überzeugten sie damit offenbar keine zusätzlichen Wähler. Rund ein Viertel der Deutschen hat sie 2013 gewählt, rund ein Viertel dürfte es dieses Mal tun. …

Zuversichtliche Reformer entwickeln fast täglich Ideen, und das mit den Mitteln, die uns die heutigen Herausforderungen erst beschert haben: mit dem Internet, der Analyse großer Datenmengen, dem neuen Wissen über das Verhalten der Menschen. Sie zielen ab auf die jetzigen Probleme und nicht auf die von gestern. Und sie folgen den Prinzipien der Netzrevolution: auf den Einzelnen eingehen, viele Menschen verbinden und vorausschauend handeln.

… Doch es musste erst ein Reformer kommen, um aus dem Thinktank mit seinen Förderprogrammen ein Labor für angewandte Veränderung zu machen. 2011 trat Geoff Mulgan an.
… “Geht und seid Unternehmer” – Mulgans oft wiederholte Aufforderung kommt an. Er verlangt dafür, dass alles “gegründet ist auf Empathie mit der Masse der Menschen” und nicht bloß einer lauten Elite zugutekommt. …

Nesta kooperiert mit Städten und Ländern, Stiftungen und Konzernen. Er wolle “Dinge durchs Ausprobieren verändern”, sagt Mulgan, erst in kleinen Praxisversuchen, die dann zu allgemeinen Lösungen wachsen. Er hat gelernt aus der Zeit mit Blair, als die Regierung Bürger, Schulen oder Ämter eng führen, fordern und fördern wollte. Die Widerstände waren riesig, vieles misslang. Nun sollen die Bürger mit digitalen Mitteln ermächtigt werden. Der globale Technokapitalismus habe nur einer Minderheit geholfen, findet der Reformer – “und die Mehrheit der Bürger entmachtet”. Zentrale Versprechen seien gebrochen worden. Das Internet als Ort der Freiheit und Selbstverwirklichung? Ist für viele nicht so gekommen. Wohlstand für alle durch Globalisierung? Wohl kaum. Macht müsse gerechter verteilt werden zwischen Establishment und breiter Masse, fordert Mulgan.

Als Gegenmodell zu den Internet-Konzernen will er gemeinnützige Orte im Netz bauen, wo Nutzer ihre Daten selbst verwalten und verwerten können. Viele Netzaktivisten arbeiten daran. Bildung will er darauf ausrichten, dass Schulen ihre Schüler lehren, wie sie auf unternehmerische Art Probleme lösen und selbst Erfinder werden können. …”

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