DIE ZEIT: Rohingya – Und jetzt, wohin?

[29.09.2017] DIE ZEIT, Nr. 38, 14.09.2017
Rohingya – Und jetzt, wohin?
Die muslimischen Rohingya sind Waisenkinder des Imperialismus. Ihre brutale Vertreibung aus Myanmar ist eine späte Folge der britischen Kolonialpolitik.
Von Jan Roß, Neu-Delhi

Link  http://www.zeit.de/2017/38/rohingya-vertreibung-myanmar-burma-britische-kolonialpolitik

“… Die Antworten sind in der Geschichte zu suchen – der Geschichte der Kolonialzeit in Asien, im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Rohingya sind die letzten Waisenkinder des Imperialismus. Sie sind historisch gestrandet, übrig geblieben aus einer Zeit vor der Epoche der Nationalstaaten, als Grenzen vielfach unklar oder durchlässig waren und Menschen und Völker in Großreichen durcheinandergemixt wurden – in einem frühen Zeitalter der Migration, der Globalisierung und des Multikulturalismus. Später, in einer Welt des aggressiven Nationalismus und der Konflikte zwischen Religionsgemeinschaften, ist die Minderheit eine Art Fremdkörper geworden.

Heute behauptet die Regierung von Myanmar, die Rohingya seien illegale Einwanderer aus Bangladesch. Die Rohingya selbst erklären, sie lebten seit Generationen, wenn nicht seit Urzeiten auf dem Territorium von Myanmar. Tatsächlich dürften viele ihrer Vorfahren im 19. Jahrhundert dorthin gekommen sein. Damals gab es die Staaten noch nicht, die auf den gegenwärtigen Landkarten Südasiens und Südostasiens verzeichnet sind. Was wir Bangladesch nennen, war einst Teil des britischen Kolonialreichs in Indien, das von Kolkata aus regiert wurde. Was heute Myanmar heißt, nannte sich damals Königreich Burma. …

In den 1960er Jahren ließ der Militärdiktator Ne Win die meisten Angehörigen der städtischen indischen Mittelschicht ausweisen. 1982 wurde ein diskriminierendes Staatsbürgerrecht eingeführt, das die Vollbürgerschaft auf jene Ethnien beschränkt, die vor 1824, also vor Beginn der britischen Kolonialherrschaft, im Land ansässig waren. Es gibt mindere Bürgerschaftsgrade, die den Rohingya im Prinzip zugänglich, faktisch aber wieder durch schikanöse Zusatzbestimmungen blockiert sind. Daher ihre Staatenlosigkeit. …”

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