Stadtverordnetenversammlung Griesheim am 4. Juni 2020

Martin Tichy, GRÜNE zum 1. Nachtragshaushalt 2020

Die Pandemie scheint auf dem Rückzug, gleichzeitig kommen die Auswirkungen davon in den öffentlichen Haushalten nach und nach und immer deutlicher an.
Für uns GRÜNE sind für die Beratung und Bewertung des 1. Nachtragshaushalts drei Punkte besonders wichtig:

  1. Dieser Nachtragshaushalt ist eine Richtungsentscheidung: Wir kürzen keine Ausgaben und kompensieren die Einnahmenverluste durch Kredite und Entnahmen aus der Rücklage. Es gilt die Alternativen, Risiken und Nebenwirkungen zu betrachten.
  2. Inhaltlich bewilligen wir für den Ausbau der Kinderbetreuung weitere Mittel und Personalstellen.
  3. Wir werden die Pandemie überwinden, die zentrale Herausforderung für unsere Generation, die Bewältigung der Klimakrise wird bleiben.

Wir tragen den Weg, den wir jetzt einschlagen mit: Die Einnahmeverluste durch Kredite und Entnahmen aus der Rücklage auszugleichen, um uns antizyklisch mit unseren gleichbleibenden Ausgaben gegen die Einbrüche in der Wirtschaft zu stemmen. Dieser Weg ist nicht alternativlos, nicht ohne Risiken und nicht ohne Nebenwirkungen.

Die Alternative wäre, die Ausgaben durch Kürzungen und Haushaltssperren bei den Sach- und Dienstleistungen und durch Verschieben von Investitionen so weit zu reduzieren, dass sie durch die verbleibenden Einnahmen und liquiden Mittel gedeckt werden – was sofort harte Einschnitte bedeuten würde. Wer die Zeitung aufmerksam verfolgt, wird feststellen, dass es durchaus Kommunen gibt, die diesen Weg gehen wollen.

Damit komme ich zu den Risiken und Nebenwirkungen. Es gibt aus unserer Sicht zwei ganz wesentliche Risiken. Dieser Haushalt ist so wohl nicht genehmigungsfähig, weil wir nach derzeitiger Gesetzeslage auch Investitionskredite erst in Anspruch nehmen dürfen, wenn alle liquiden Mittel aufgebraucht sind – unser Konto leer ist. Ob das Land die Vorschriften ändert, ist zumindest fraglich. Das andere Risiko besteht darin, dass wir diesen Weg nur eine begrenzte Zeit durchhalten. D. h. in dem Moment, wo unsere liquiden Mittel (Geld auf dem Konto) aufgebraucht sind und wir nicht nur kurzfristige Kassenkredite (Dispo/Überziehung), sondern Kredite zur Finanzierung unserer laufenden Aufgaben benötigen und damit auch nicht mehr Zins und Tilgung unserer Investitionskredite leisten können, ist – zumindest nach heutiger Gesetzeslage – Schluss. Keiner kann heute vorhersagen, wie lange und in welcher Höhe uns die Einnahmen fehlen werden. Die Rücklagen sind hier auch nicht hilfreich, weil mir mit ihnen keine Löhne und keine Rechnungen bezahlen, sondern ausschließlich nicht zahlungswirksame Ausgaben, wie die Abschreibungen, „bedienen“ können. Und die Nebenwirkungen müssen auch deutlich benannt werden. Kredite müssen zurückbezahlt werden, da sich unser Gemeinwesen ausschließlich über Gebühren, Abgaben und Steuern finanziert, sind Kredite ein Teil der Steuern von morgen.

Auch wenn wir heute zwei äußerst erfreuliche Projekte zur Kinderbetreuung auf den Weg bringen, bleibt hier viel zu tun. Nach Einbringung des Nachtragshaushalts haben wir die aktuellen Zahlen zur Versorgung mit Kindergarten- und Krippenplätzen erhalten. Unser Fazit: wir brauchen PLÄTZE, PLÄTZE, PLÄTZE, kurzfristig und mittelfristig. Wir erfüllen den Rechtsanspruch nicht nur aktuell nicht. Deshalb müssen wir unsere Anstrengungen in diesem Bereich deutlich erhöhen, über das, was wir heute beschließen hinaus. Für den Kindergarten/Ü3-Bereich zeichnet sich mit dem Umbau der Kindertagesstätte Magdalenenstraße und der neuen im Leuschnerpark zeitnah eine Entspannung ab, doch die Eltern brauchen auch im Krippenbereich eine Perspektive. Ein oder eineinhalb Jahre Wartezeit sind nicht akzeptabel.
Wir als Stadtverordnete erheben keine Bedarfszahlen, planen, bauen und betreiben keine Kindertagesstätten. Wir stellen die personellen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung und ich gehe davon aus, dass, wenn ich einen Haushalt vorgelegt bekomme, der Rechtsanspruch damit erfüllt wird. Hier können, sollen und müssen wir die Kommunikation deutlich verbessern. Um hier ein klares Signal an die Eltern und in die Verwaltung zu geben, haben wir fünf zusätzliche Erzieherinnenstellen und 200.000 Euro für Sach- und Dienstleistungen draufgesattelt. Damit verschaffen wir der Verwaltung zusätzliche Flexibilität und Freiheit.

Darüber hinaus appellieren wir daran, dass wir uns, wo möglich, mehr helfen lassen sollten, z. B. durch die Einbindung freier Träger, durch Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen, wenn es um die neue Kindertagesstätte in SüdWest geht. Es muss unser Ziel sein, den im letzten Herbst genannten Zeitplan einzuhalten. Dafür ist es erforderlich, dass wir unmittelbar, wenn wir Planungsrecht haben – die Änderung des Bebauungsplanes durch ist, den Bauantrag beim Kreis einreichen können.

Für uns GRÜNE ist wichtig, dass wir trotz der aktuellen Themen und Problemen, die langfristigen Herausforderungen nicht aus dem Blick verlieren. Wir werden die Pandemie überwinden, die Zahl der Neuinfektionen sinkt. Die zentrale Herausforderung für unsere Generation, die Bewältigung der Klimakrise bleibt weiter ungelöst. Hier zeigen die zentralen Parameter: CO2 Ausstoß, Erwärmung, Rückgang der Eisbedeckung und des Permafrost weiter und bisher ungebremst in die falsche Richtung. Die Klimakrise kostet uns schon heute viel Geld und wird uns in Zukunft noch viel mehr Geld kosten, wenn wir nicht umsteuern.

Wer hätte vor 10 Jahren gedacht, dass wir schon im April unsere Straßenbäume wässern müssen, oder dass wir bei der Neuanlage der Grünfläche vor der Kita Rheinstrasse eine automatische Bewässerung einbauen.
Hier sind wir auch lokal gefordert: Keine Kompromisse bei der Sanierung und dem Neubau von Gebäuden und Anlagen, der lokalen Verkehrwende, der Schaffung von Ausgleichs- und Grünflächen. Die Pandemie ist hier auch eine Chance. Wir dürfen nicht einfach weiter machen wie davor. Wir müssen hier auch als Stadt vorankommen. Wir werden darauf achten, dass beim Neubau der Kita SüdWest, Sanierung Freibad, Neubau Feuerwehr, Stadtbus, Radverkehr wir als Kommune keine Kompromisse machen und in Richtung klimaneutral zu gehen.