[10.12.2017] DIE ZEIT, Nr. 51, 07.12.2017
Fake-News – Der Krieg gegen die Wahrheit
Rechtspopulisten haben Fake-News nicht erfunden. Schon seit Jahrzehnten steuern Energiekonzerne und konservative Medien eine Desinformationskampagne – um Zweifel am Klimawandel zu säen.
Von Maximilian Probst und Daniel Pelletier
“… Doch gerade jetzt, wo die Weltgemeinschaft endlich den globalen CO₂-Ausstoß senken müsste, um die Klimaerwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten, spielt auch die Politik verrückt. Russland unter Putin hat sich bereits weitgehend von demokratischen Standards und internationaler Kooperation verabschiedet, die USA unter Trump und andere Länder, in denen der Rechtsnationalismus blüht, sind dabei zu folgen. …
Tatsächlich sind das globale Versagen, Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe zu ergreifen, und der erstarkende Rechtsnationalismus zwei Seiten derselben Medaille. … Dieser Krieg begann in Amerika mit den Desinformationskampagnen, die den menschlichen Ursprung der Klimaerwärmung bestritten. …
Die Klimaleugner haben einen Keil zwischen Wissenschaft und Medien getrieben.
Die eigentlichen Feldherren dieses Krieges sind die global agierenden Öl- und Kohle-Unternehmen. …
Der Ölriese Exxon betreibt eigene Klimaforschungsprojekte und sagt 1981 in einem “CO₂-Positionspapier” voraus, dass die erwartete Verdopplung der CO₂-Konzentration in den nächsten hundert Jahren zu einem globalen Temperaturanstieg von drei Grad Celsius führen wird. Anstatt aber in die Zukunft zu investieren und den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben, pumpt das Unternehmen ab Ende der achtziger Jahre zusammen mit anderen Ölfirmen Milliarden von Dollar in politische Kampagnen. Deren Ziel: den in der Bevölkerung herrschenden Konsens über den menschlichen Ursprung des Klimawandels und die Notwendigkeit sofortiger Maßnahmen zu zerstören – mittels gezielter Desinformation. …
Während man bei Fox News auf Klimaleugnung geschaltet hat, meint man von der New York Times über die Washington Post bis hin zu CNN, “ausgewogen” berichten zu müssen, und lässt auch die Protagonisten der Desinformationskampagnen ausführlich zu Wort kommen. Das Ergebnis ist eine katastrophale Verzerrung. …
Die Regierungen von Ronald Reagan und anfangs auch George H. W. Bush versuchten noch, die internationale Führungsrolle in der Bekämpfung des Klimawandels zu übernehmen (“Wir können einfach nicht abwarten – der Preis der Untätigkeit wird zu hoch sein”, heißt es 1989 im State Department). Heute hingegen glauben einer aktuellen Studie des Pew Research Center zufolge weniger als 16 Prozent der Wähler der Republikaner, dass es einen starken wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel gibt. Dieser schon in den neunziger Jahren einsetzende Meinungsumschwung trägt entscheidend dazu bei, dass die USA dem 1998 in Kyoto beschlossenen Klimaabkommen nicht beitreten. …
Besonders beunruhigend ist die ideologische Aufladung des Themas. Nachdem seit 1989 die Systemkonkurrenz mit dem Kommunismus passé ist, erkennt ein Teil der Republikaner den neuen Gegner im Innern. Jetzt heißt es: Green is the new red. Hinter den Klimaschutzforderungen stünden in Wahrheit Öko-Sozialisten, die das Land über die CO₂-Verringerung zu Tode regulieren und ihre Umverteilungsfantasien zugunsten des globalen Südens durchsetzen wollten. Das Gegenprogramm dazu lautet: America first! …
Dank der neuen Online-Welten können die Rechtsnationalisten den Anschein erwecken, dass die traditionellen Medien bloß einer korrupten Elite das Wort redeten, während sie selbst unmittelbarer Ausdruck des Volkswillens seien. …
Als wäre das nicht genug, ist vor einigen Jahren Russland in den Informationskrieg eingetreten. Die fossile Supermacht verfügt zusammengenommen über die größten Kohle-, Öl- und Gasreserven der Welt. Zurzeit macht fossile Energie zwei Drittel des russischen Exports aus. Nichts würde die Interessen des Landes stärker bedrohen als weitreichende Klimaschutzmaßnahmen und ein damit einhergehender fallender Ölpreis. …
Wenn Netzwerke wie Facebook und Twitter eine neue Form von Öffentlichkeit darstellen, dann müssen diese Unternehmen auch Verantwortung für sie tragen. Nur eindeutig rassistische Hetze oder drastischste Aufrufe zu Gewalt zu unterbinden reicht nicht mehr. Sie müssten sich zu einem journalistischen Ethos bekennen und redaktionelle Standards implementieren, von Faktenchecks bis zur Quellenforschung. …
Der letzte und wichtigste Schritt aber bleibt: weltweit die Energiewende vorantreiben. Sie dreht der fossilen Industrie, den Rechtsnationalisten und Klimaleugnern den Geldhahn zu. Dies könnte schneller gehen, als es den alten Eliten lieb sein kann. …”